was lest ihr gerade? - der literaturthread!

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Hamburg im heiteren August 1768: Niklas, Sohn des Großkaufmanns Claes Herrmanns und Schüler der ehrwürdigen Gelehrtenschule Johanneum, findet in der Pause einen Toten. Es ist Adam Donner, Lehrer der Sekunda und bei Schülern wie Kollegen gleichermaßen unbeliebt. Doch wer haßte ihn genug, um ihn zu töten? Niklas´ Freund Simon, den Donner besonders gern demütigte? Lehrer Bucher, von dem er zu viel wußte? Oder etwa Pierre Godard, Hugenotte und Uhrmachermeister? Immerhin war eines seiner Werkzeuge die Tatwaffe. Viele Verdächtige in Schule und Kaffeehaus, am Hafen, in den Salons und gar im Damenstift - und ein neuer Fall für die Komödiantin Rosina, Großkaufmann Claes Herrmanns und Weddemeister Wagner. Rosinas vierter Fall

...und "Im Taumel" noch....;)
 
...wie findest du den ,,Hungerkünstler,,?
Ja ein schönes Spätwerk von ihm mit, wie fast immer, viel Interpretationsspielraum. Für Kafka Verhältnisse eine relativ klare Erzählung aber mit deutlich bekannten Motiven von ihm. Käfig, Künstler, Isolation, Gefangenheit, Beachtung, Desinteresse, Freiheit, Zwänge, innere und äussere Betrachtungen. Interessant; hier geschieht eine Verwandlung des Menschseins auf die Stufe von Tieren im Gegensatz zum umgekehrten Fall zum „Bericht für eine Akademie“. Man könnte hier natürlich auch Kafka als Künstler selber sehen und natürlich auch im Zuge seiner sich in der Zeit immer deutlich zeigenden und zehrenden Krankheit den Text verstehen.

Was meinst du? :)
 
@Mitglied #500462


...es ist vielleicht mehr als zehn Jahren her, als ich die Erzählung gelesen habe.
...obgleich ich werde unerwiderlich von dieser urgrundtiefen Traurichkeit, die hoffnungslose Abgefundenheit mit dem schmerzhaften Schicksaal, dieser kristallhellen Entschlossenheit noch ein Atemzug zu schaffen, wie damals überfallen.
...dabei kann ich es nicht sein lassen mir den Hungerkünstler als Kafka vorzustellen: ein einsamer, verletzter, unverstandener Mensch, dessen Gefühle und Gedanken sich in völliger Dissonanz mit den Wahrnehmungen der umgebenden Welt bewegen, dessen Anderssein auch dessen tragischer Fall ist.
...das Publikum, eine Gesellschaft, dessen kalte Grausamkeit unübertrefflich, jedoch im Einklang mit dem guten Ton, zu sein erscheint.
...der Käfig, das eigene Bewusstsein, dass unausweichlich vor sich selber steht und sich nicht erkennen kann, ausgeliefert der schwindenden Vorstellungskraft.
...irgendwie wie vor den Toren des Gesetzes erwartend, jedoch mit der letzten Hoffnung, dass es doch einen Sinn gehabt hat:l
 
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Bernhard Görg - vielleicht erinnert sich noch wer an ihn.
Er war damals der einzige Vorstand der ÖVP der gegen schwarz/blau stimmte.

Er hat Wachau-Krimis geschrieben - war neugierig, wie die Wendung zum Schreiberling funktionierte.
 
@Mitglied #515505

Dieses beklemmende Gefühl, das Kafka in seinen Texten oft transportieren vermag, zeigt sich in diesem auch wieder. Kennst du „der Bau“ von ihm? Der Hungerkünstler erinnert mich einwenig daran. Er kann nichts anderes als zu hungern. Für ihn ist hungern sogar einfach. Das gibt ihm ein sicheres Gefühl. Nur so ist sein Wahn weiter zu hungern und an seine absoluten Grenzen (den Tod) zu gehen, obwohl das offensichtlich keinen Sinn mehr macht, für mich zu erklären. Genau so lese ich auch den Bau und den Antriebswillen/Wahn des Tiers in diesem.

Eine Hoffnung sehe ich bei ihm aber nicht. Er ist sich seiner Lage absolut bewusst. Das ist für eine Kafkafigur eher (nicht absolut) untypisch was den Text für mich auch so klar macht. Kafka lässt uns nicht im Labyrinth der Undurchsichtigkeit stehen und rumirren. Der Hungerkünstler könnte jederzeit aus seinem Käfig raus und in Rente gehen. So hat man das Gefühl als Leser zumindest. In anderen Texten ist das anders. Man denke zB an den Hund (Erzählung eines Hundes), der unfähig ist die Menschen um ihn zu erkennen und somit trotz seinen Bemühungen, nie erkennen wird von wo sein Futter kommt. Oder an Joseph K in „der Prozess“, dessen schon fast wahnhaftigen Bemühungen alle ins Leere gehen und er schlussendlich der Situation völlig hilflos ausgeliefert ist.
 
@Mitglied #500462


...empfine ich auch so:l ...der Hungerkünstler ähnelt keinem anderen Protagonisten von K.:l ...der Wahn erscheint mir wie die wesenserschöpfende Hingabe an seiner Kunst, das finale Erkennen eines Sinnes hinter seinen Worten, das Labyrinth der unendlichen Bibliothek, ein letzter Schimmer Wärme vor der immerwährenden Kälte:l ...kannst du dich erinnern, wie seine letzten Worte waren, weil ich den Text nicht zur Hand habe?
 
...kannst du dich erinnern, wie seine letzten Worte waren, weil ich den Text nicht zur Hand habe

Ja, da ich den Text vorgestern mir gleich nochmals zu Gemüte geführt habe. :) (ich hätte ihn sonst nicht mehr ganz so präsent).

Er entschuldigte sich und meinte, dass er schon etwas gegessen hätte, aber er habe nichts gefunden, dass ihm geschmeckt hätte (in etwa wiedergegeben).

Nun diesen Schluss könnte man als verzweifelten Versuch von ihm deuten, seiner wirren Sache doch noch eine Logik zu geben.
Er bleibt bis zum Schluss missverstanden von der Aussenwelt. Kann nicht ernst genommen werden, ist nur eine Attraktion. Kein Mensch mit menschlichem Leben. Eine Attraktion die am Schluss nicht mal mehr das ist und den Weg für die nächsten Attraktionen versperrt.
 
Er entschuldigte sich und meinte, dass er schon etwas gegessen hätte, aber er habe nichts gefunden, dass ihm geschmeckt hätte (in etwa wiedergegeben)

... Also gute Sache, dass wir beide uns die Geschichte nochmal angeschaut haben :l... Ich habe den Text auf Gutenberg gefunden :)
...aber deine Analyse hat einwenig Licht in meinen Tag gebracht :)
...dass er nichts gefunden hätte, dass ihm schmeckt, finde ich auch teilweise unbegreiflich auf der Handlungsebene, vielleicht wirklich ein verzweifelter Versuch sich vor sich und den anderen rechtzufertigen.
... Oder vielleicht ist der Schlüssel zur Verständnis auf der biographisch—metaphorischen Ebene zu suchen: K. hat in seinem Leben nichts anderes außer das Schreiben gefunden, dass seinem Leben ein Sinn verleihen könnte, etwas, dass ihm zum ,, normal Sein,, hinziehen könnte, in die Welt der lachenden und weinenden Menschen, ein einfaches und stilles Glück verspüren:l
 
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Man muss nicht immer alles verstehen, was dieser geniale Wissenschafter uns erläutern möchte, aber DAS WAS ich versteh, fasziniert mich!
 
Da gibts eine aufnahme mit dem qualtinger ... unübertroffen ... bitte bei möglichkeit den ohren ein festmahl bereiten !!!
Ja, Qualitinger ist ein guter Weg, um einen Einstieg in die "letzten Tage der Menschheit" zu finden. Er schaffte es perfekt, die Szenen so zu lesen, dass man - insbesondere beim ersten Mal Hören - bei manchen Szenen erstmal lacht ...

... um dann betroffen / erschrocken innezuhalten.
Mit genau dieser LP, bzw. einer Raubkopie davon, hab ich begonnen Karl Kraus zu entdecken:

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Immer wieder horenswert ist auch diese CD-Sammlung: Die letzten Tage der Menschheit
 
Der Wal und das Ende der Welt.
Und ich lass mir so Zeit, weil ich nicht will, dass ich damit fertig werde....
 
Eine Hoffnung sehe ich bei ihm aber nicht.

,,...Das waren die letzten Worte, aber noch in seinen gebrochenen Augen war die feste, wenn auch nicht mehr stolze Überzeugung, daß er weiterhungere.,,

...eine gleichermaßen gebrochenen Entschlossenheit ähnelt irgendwie einem Maler, der nie warme Zuneigung außerhalb von seinen sonst verstörten Träumen finden konnte, dessen Bilder stumpfe Unverständnis verursachen, wenngleich er an den Grenzen seiner schöpferischen Verwirklichungskraft gelangt ist, nach langer, langer Suche nach der vollkommen Form, im Stillstand der Unendlichkeit, ersphäht er, dass er und sein Selbstbildnis sich noch vor geraumert Zeit vereinheitlicht haben, dass sein Schmerz, Entäuschung und Verzfeiflung, wie seine fast verglühte Hoffnung und die warme und sorgsame Umarung sener letzten Stunden, schon längst ein Teil der allumfassenden Einheit geworden sind:l ...der vage Hauch einer ungewissen Zukunft wird diese Tinte und Farben wieder vor den Augen der kommenden Wesen herbeiwehen:l
 
...ja, er ist vor allem durch seine Lyrik berühmt, jedoch finde ich seine Prosa unheimlich ergreifend:l
 
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